Finanzgericht Niedersachsen
v. 10.02.2023, Az.: 7 K 183/22

besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach; Nutzungspflicht; Steuerberater; Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) ab dem 1.1.2023

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
10.02.2023
Aktenzeichen
7 K 183/22
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2023, 13455
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2023:0210.7K183.22.00

Fundstelle

  • RdW 2023, 444

Amtlicher Leitsatz

Steuerberater sind nach § 52d Satz 2 FGO seit dem 1.1.2023 verpflichtet das beSt zu nutzen, da ihnen spätestens ab diesem Zeitpunkt ein sicherer Übermittlungsweg gemäß § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht. Auf den Erhalt des Registrierungsbriefs oder der Erstanmeldung kommte es daher nicht an.

Tatbestand

Die Klägerin gab trotz Erinnerungen und Schätzungsandrohungen die Feststellungserklärung sowie die Gewerbesteuererklärung 2019 nicht ab. Der Beklagte schätzte daraufhin gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) die Besteuerungsgrundlagen mit Bescheiden vom 25. März 2022. Nachdem die Klägerin auch im Einspruchsverfahren trotz weiterer Erinnerung keine Steuererklärungen vorgelegt hatte, wies der Beklagte den Einspruch mit Bescheid vom 20. September 2022 als unbegründet ab.

Hiergegen wendet sich die Klägerin, vertreten durch ihren Steuerberater (Bevollmächtigter), mit Klage vom 24. Oktober 2022 (datiert auf den 29. Oktober 2019).

Nachdem die Klägerin auch die Klage trotz Aufforderung nicht begründet hat, wurde ihr durch richterliche Verfügung vom 16. Dezember 2022 gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgegeben, bis zum 13. Januar 2023 den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Die richterliche Verfügung ist am 19. Dezember 2022 zugestellt worden.

Unter dem 13. Januar 2023 übersandte der Bevollmächtigte per Fax eine Klagebegründung vom 12. Januar 2013.

Mit Schreiben vom 16. Januar 2023 wies das Gericht den Bevollmächtigten darauf hin, dass das Schreiben vom 13. Januar 2023 nicht wirksam sein dürfte, da Steuerberater nach §§ 52a, 52d FGO i.V.m. § 157e des Steuerberatergesetzes (StBerG) verpflichtet seien, seit dem 1. Januar 2023 das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) zu nutzen. Der Gegenstand des Klagebegehrens sei daher nicht innerhalb der mit Verfügung vom 16. Dezember 2022 gesetzten Frist mit ausschließender Wirkung bezeichnet worden.

Unter dem 30. Januar 2023 übermittelte der Bevollmächtigte einen Schriftsatz über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) des Rechtsanwalts A und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In der Anlage übermittelte er zudem nochmals das Schreiben vom 13. Januar 2023.

Er sei in einem Telefongespräch mit der Vorsitzenden Richterin des Senats wenige Tage vor dem 16. Januar 2023 darauf hingewiesen worden, dass für den Schriftverkehr ab dem 1. Januar 2023 das beSt vorgesehen sei und dass es unterschiedliche Auffassungen über die Umsetzung der neuen Vorschrift gebe. Einige Richterkollegen würden die konsequente Umsetzung der neuen Vorgaben befürworten. Nunmehr bestehe Rechtssicherheit, da das Gericht auf die Nutzungspflicht hingewiesen habe.

Eine eigenständige Übermittlung der Schreiben an das Gericht sei ihm bis heute nicht möglich. Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) habe ihm den Registrierungsbrief noch nicht übersandt. Nach den Plänen der Kammer würde der Versand an seine Buchstabengruppe erst in der Zeit vom 1. bis 10. Februar 2023 erfolgen. Danach sei sicherlich noch eine geraume Zeit der Bearbeitung einzuplanen, bis die tatsächliche Nutzung des beSt möglich sei. Er habe sich nunmehr nach dem Hinweis des Gerichts bereits über die "Fast-Lane" der BStBK angemeldet. Auch dieses Verfahren werde noch einige Tage dauern.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig, da der Bevollmächtige als Steuerberater den Gegenstand des Klagebegehrens nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht innerhalb der Ausschlussfrist in der gesetzlich vorgeschriebenen Form gemäß § 52d i.V.m. § 52a FGO bezeichnet hat. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich.

I. Das Gericht entscheidet durch Gerichtsbescheid gemäß § 90a FGO, da ausschließlich über Rechtsfragen zu entscheiden ist und eine mündliche Verhandlung keine weiteren Erkenntnisse verspricht. Zudem hat die Klägerin auf die mündliche Verhandlung verzichtet.

II. Die Klage ist unzulässig. Zwar ist vor Ablauf der Ausschlussfrist ein Schriftsatz bei Gericht eingegangen, der erkennen lässt, in welcher Hinsicht eine Änderung der angefochtenen Bescheide begehrt wird. Jedoch wurde die Ausschlussfrist durch diesen Schriftsatz nicht gewahrt, da er die an bestimmende Schriftsätze zu stellenden Formvorschriften nicht erfüllt.

1. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss ein Kläger den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Dazu gehört, dass auch das Ziel der Klage hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird (BFH-Beschluss vom 26. November 1979, GrS 1/78, BStBl. II 1980, 99); denn das Gericht kann dem aus § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO sich ergebenden Verbot, über das Klagebegehren hinauszugehen, nur entsprechen, wenn der Kläger den Umfang des begehrten Rechtsschutzes bestimmt hat. Für eine ausreichende Bezeichnung des Streitgegenstandes ist es daher erforderlich, dass der Kläger substantiiert darlegt, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Hierfür ist der Klägerin eine Ausschlussfrist gesetzt worden. Auf die Folgen eines Fristversäumnisses ist ausdrücklich hingewiesen worden.

a. Die Schriftform wird im Anwendungsbereich des § 52d FGO durch die elektronische Form verdrängt. Die aus § 52d FGO folgende Nutzungspflicht erweist sich damit als weitere, von Amts wegen zu berücksichtigende Formvorschrift für rechtswirksame Prozesshandlungen durch bestimmende Schriftsätze, da über den Wortlaut des § 52d FGO hinaus jedenfalls über § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 253 Abs. 4 ZPO gerade auch solche Schriftsätze angesprochen sind (BFH-Beschluss vom 27. April 2022, XI B 8/22, BFH/NV 2022, 1057). Die Vorschrift gilt für alle Verfahren nach der FGO und knüpft allein an den Status des Prozessbevollmächtigten als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt (bzw. hier als Steuerberater) an (BFH-Beschluss vom 23. August 2022, VIII S 3/22, BFH/NV 2022, 1248).

Ein Dokument, das unter Verstoß gegen die Pflicht zur elektronischen Übermittlung in Papierform oder als Telefax übermittelt worden ist, gilt prozessrechtlich als nicht eingereicht. Die in dem Dokument enthaltenen Prozesshandlungen sind unwirksam. Im Falle der Klage erfolgt eine Abweisung durch Prozessurteil (BT-Drs. 17/12634, S. 27; Finanzgericht Münster, Beschluss vom 22. Februar 2022, 8 V 2/22, EFG 2022, 592; Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. März 2022, 8 V 8020/22, EFG 2022, 846; Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Juli 2022, 9 K 9009/22, EFG 2022, 1665; Finanzgericht Köln, Urteil vom 19. Mai 2022, 6 K 1883/21, EFG 2022, 1389; Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Oktober 2022, 4 K 1341/22, EFG 2023, 65; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 52d FGO Rn. 7 f.; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52d FGO Rn. 1 f. mit weiteren Nachweisen; vgl. zur Behandlung als Zulässigkeitsvoraussetzung und Unwirksamkeit auch: BFH-Beschluss vom 27. April 2022, XI B 8/22, BFH/NV 2022, 1057; BFH, Beschluss vom 23. August 2022, VIII S 3/22, BFH/NV 2022, 1248).

b. Bestimmende Schriftsätze sind alle Schriftsätze, durch die - im Unterschied zu bloß vorbereitenden Schriftsätzen, die ein Vorbringen nur ankündigen - eine für das Verfahren wesentliche Prozesshandlung bereits vollzogen wird (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 30. April 1979, GmS-OGB 1/78, NJW 1980, 172 zu § 64 FGO; Müller in Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, § 130a ZPO, Rn. 85 f.). Hierzu gehören insbesondere die das Verfahren einleitenden bzw. beendenden Schriftsätze (z.B. Klageerhebung, Klagerücknahme) sowie alle Schriftsätze mit sonstigen Prozesserklärungen (z.B. Verzicht auf mündliche Verhandlung). Auch bei einem Schriftsatz, mit dem das Klagebegehren nach Setzung einer Ausschlussfrist i.S.d. § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO erstmals bezeichnet wird, handelt es sich um einen bestimmenden Schriftsatz (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994, XI R 13/94, BFH/NV 1995, 699). Denn durch die Bezeichnung des Klagebegehrens wird verhindert, dass die Klage mit Ablauf der Ausschlussfrist unzulässig wird (FG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juni 2021, 10 K 3452/18 E,U, EFG 2021, 1669).

Wird ein Schriftsatz, mit dem einer Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO genügt werden soll, im Telefaxverfahren übersendet, ist die Ausschlussfrist dann nur gewahrt, wenn die übermittelte Kopie des Schriftsatzes mit Ablauf des letzten Tages der Frist vollständig und mit Unterschrift aufgezeichnet worden ist (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994, XI R 13/94, BFH/NV 1995, 699). Denn erst die eigenhändige Unterschrift macht den prozessbestimmenden Schriftsatz zur wirksamen Prozesshandlung (BFH-Beschluss vom 10.07.2002 - VII B 6/02, BFH/NV 2002, 1597). Wird der bestimmende Schriftsatz als elektronisches Dokument übermittelt, muss er den Voraussetzungen des § 52a Abs. 3 FGO entsprechen, d.h. entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 52a Abs. 4 FGO eingereicht worden sein (Paetsch in Gosch, § 65 FGO, Rn. 132.1; FG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juni 2021, 10 K 3452/18 E,U, EFG 2021, 1669).

2. Der Bevollmächtigte der Klägerin war als Steuerberater nach § 52d Satz 2 FGO verpflichtet, die Bezeichnung des Klagegegenstands als elektronisches Dokument zu übermitteln, da ihm spätestens seit dem 1. Januar 2023 ein sicherer Übermittlungsweg gemäß § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO "zur Verfügung" stand.

a. Durch Art. 6 Nr. 4 i.V.m. Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I 2013, 3786) wurde in § 52d FGO mit Wirkung zum 1. Januar 2022 eine Nutzungspflicht der elektronischen Gerichtskommunikation unter anderem für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und Behörden eingeführt. Für andere vertretungsberechtigte Personen gilt dies erst, wenn ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung steht. Mit Art. 4 Nr. 35 und Nr. 77 des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 7. Juli 2021 (BGBl. I 2021, 2363) wurden unter anderem die Steuerberaterplattform und das beSt eingeführt.

aa. Gemäß § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt nach Satz 2 der Vorschrift für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 "zur Verfügung" steht (aktive Nutzungspflicht).

bb. Nach § 52a Abs. 3 FGO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Nach Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ist der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des Abs. 3.

cc. Gemäß § 86d Abs. 1 StBerG ist die BStBK verpflichtet, über die Steuerberaterplattform (§ 86c StBerG) für jede Steuerberaterin oder jeden Steuerberater und jede Steuerbevollmächtigte und jeden Steuerbevollmächtigten ein beSt empfangsbereit einzurichten. Nach § 86d Abs. 6 StBerG ist die Inhaberin oder der Inhaber des beSt verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beSt zur Kenntnis zu nehmen (passive Nutzungspflicht). Nach § 157e StBerG ist die Regelung am 1. August 2022 in Kraft getreten und erstmals ab dem 1. Januar 2023 anzuwenden.

dd. Nach § 14 Abs. 1 der Steuerberaterplattform und -postfachverordnung -StBPPV- (BR-Drs. 489/22 vom 04.10.2022) richtet die BStBK unverzüglich nach der Unterrichtung über die Eintragung einer Person oder einer Berufsausübungsgesellschaft in das Berufsregister für diese ein beSt ein. Sie informiert die Steuerberaterinnen oder die Steuerberater über die Einrichtung des beSt.

Gemäß § 15 Abs. 1 StBPPV erfolgt die Erstanmeldung am beSt mittels einer Identifizierung und Authentisierung im Sinne des § 4 Absatz 1 sowie eines Registrierungstokens, den die Postfachinhaberin oder der Postfachinhaber von der BStBK oder einer von ihr bestimmten Stelle erhält. Nach Absatz 2 erzeugt die Postfachinhaberin oder der Postfachinhaber bei der Erstanmeldung einen öffentlichen und einen privaten Schlüssel. Der öffentliche Schlüssel wird in einem Verzeichnis der BStBK abgelegt. Der private Schlüssel ist von der Postfachinhaberin oder dem Postfachinhaber eigenständig abzulegen. Der private Schlüssel ist von der Postfachinhaberin oder dem Postfachinhaber mit einem Passwort vor einer unbefugten Verwendung zu schützen (Zertifikats-Passwort).

b. Dem Bevollmächtigten der Klägerin stand spätestens seit dem 1. Januar 2023 ein sicherer Übermittlungsweg "zur Verfügung", zu dessen Nutzung er nach § 52d Satz 2 FGO verpflichtet war.

aa. Als Steuerberater unterliegt der Bevollmächtige dem persönlichen Anwendungsbereich des § 52d Satz 2 FGO. Er ist nach § 62 Abs. FGO vertretungsberechtigte Person. Bei dem beSt handelt es sich um einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO (BT-Drs. 19/30516 S. 64).

bb. Der Bevollmächtigte war zur Nutzung des beSt verpflichtet, da ihm mit dem beSt spätestens ab dem 1. Januar 2023 und nicht erst mit dem Erhalt des Registrierungsbriefs oder der Erstanmeldung ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 52d Satz 2 FGO "zur Verfügung" stand.

Dies ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und der Gesetzesbegründung.

(1) § 52d Satz 2 FGO knüpft an den Einrichtungszeitpunkt nach § 86d Abs. 1 StBerG an (Pohl, Stbg 2022, 426). Nach der Gesetzesbegründung zu § 157e StBerG wurde der Anwendungszeitpunkt "auf Grund der noch erforderlichen technischen Umsetzung" auf den 1. Januar 2023 bestimmt (BT-Drucks. 19/30516, S. 69). Weiterhin soll nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers "die berufsrechtliche (passive) Nutzungspflicht zum 1. Januar 2023 eingeführt werden" (Gesetzesbegründung zu § 86d Abs. 6 StBerG, BT-Drs. 19/30516, S. 66). Da mit der Herstellung der passiven Nutzung (Adressierbarkeit des Postfachs) zugleich die aktive Nutzbarkeit eintritt, gilt dieser Zeitpunkt ebenfalls auch für die aktive Nutzungspflicht.

(2) Wie sich aus § 15 Abs. 1 StBPPV und der Verordnungsbegründung zu § 14 Abs. StBPPV ergibt, war dem Gesetzgeber bekannt, dass die "vollständige Empfangsbereitschaft" des beSt "die Mitwirkung der Postfachinhaberin oder des Postfachinhabers" erfordert. "Erst nachdem diese beziehungsweise dieser im Rahmen der Erstanmeldung ihre beziehungsweise seine Postfachzertifikate selbst erzeugt und den öffentlichen Teil des Zertifikatspaars an den SAFE übermittelt hat, ist das Postfach von außen adressierbar" (Verordnungsbegründung zu § 14 Abs. 1 StBPPV, BR-Drs. 489/22, S. 24).

Dies hat den Gesetzgeber aber nicht dazu veranlasst, die Nutzungspflicht an ein (unbestimmtes) Ereignis wie z.B. die Erstanmeldung der Postfachinhaberin oder des Postfachinhabers oder den Erhalt des Registrierungsbriefs zu knüpfen.

(3) Er hat sich vielmehr mit guten Gründen ausdrücklich dagegen entschieden. In der Gesetzesbegründung zur passiven Nutzungspflicht nach § 86d Abs. 6 StBerG hat er ausgeführt, dass eine berufsrechtliche Verpflichtung zur (passiven) Nutzung des beSt eingeführt werden soll, da andernfalls die mit der Einführung des beSt verfolgten Ziele nicht zu erreichen seien. Danach solle die elektronische Erreichbarkeit jeder einzelnen Steuerberaterin bzw. jedes einzelnen Steuerberaters sichergestellt werden. Dieses Ziel könnten nur verwirklicht werden, wenn sämtliche Steuerberaterinnen und Steuerberater über ein beSt verfügen würden und über dieses Postfach zugestellt werden könne. Andernfalls müssten die Gerichte gesonderte Listen über die jeweilige Erreichbarkeit der Steuerberaterinnen und Steuerberater führen. Jede oder jeder elektronisch nicht über das beSt erreichbare Steuerberaterin oder Steuerberater würde die Wirkung des gesamten vorgesehenen Systems gefährden. Vor diesem Hintergrund sei eine Nutzungspflicht jeder Steuerberaterin und jedes Steuerberaters zum 1. Januar 2023 zwingend erforderlich (Gesetzesbegründung zu § 86d Abs. 6 StBerG, BT-Drs. 19/30516, S. 66).

(4) Da mit der passiven Nutzungspflicht die aktive Nutzungsmöglichkeit einhergeht, kann hierfür nichts Anderes gelten. Die aus § 52d Satz 2 FGO folgende Nutzungspflicht ist für das Gericht eine von Amts wegen zu berücksichtigende Formvorschrift für rechtswirksame Prozesshandlungen (BT-Drs. 17/12634, S. 27). Würde nicht ein bestimmter Zeitpunkt die Nutzungspflicht bestimmen, müsste das Gericht Listen mit gerichtsbekannten empfangsbereiten beSt führen. In allen anderen Fällen müsste es die Steuerberaterin oder den Steuerberater auffordern darzulegen, ob diese oder dieser den Registrierungsbrief erhalten hat oder, sollte der Zeitpunkt der Erstregistrierung zur Nutzungspflicht führen, darzulegen, weshalb sie oder er sich noch nicht registriert hat. In Zweifelsfällen müsste das Gericht weitere Sachverhaltsaufklärung unter Einbindung der BStBK vornehmen. Dies würde offensichtlich dem Zweck des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs zuwiderlaufen, "den elektronischen Rechtsverkehr zu fördern" und die "Vorteile, welche die elektronische Kommunikation für alle Beteiligten mit sich bringt" auszuschöpfen (BT-Drs. 17/11691, S. 1 f. und 28).

(5) Der Gesetzgeber hat zudem mit § 157e StBerG für den organisatorischen Umsetzungsprozess (Versand der Registrierungsbriefe durch die BStBK und Erstanmeldung der Postfachinhaberin oder des Postfachinhabers) oder etwaige technische Schwierigkeiten eine Schonfrist vom 1. August 2022 (in Kraft treten) bis zum 1. Januar 2023 (Anwendungszeitpunkt) vorgesehen und damit ausreichend Zeit zur Vorbereitung eingeräumt. Dies ist auch sachgerecht, da es im Ergebnis nicht die Postfachinhaberin oder der Postfachinhaber selber in der Hand haben kann, ab wann sie oder er zur Nutzung des Postfachs verpflichtet ist.

(6) Dem steht auch nicht entgegen, dass § 86d Abs. 1 StBerG fordert, dass die BStBK das beSt "empfangsbereit" einzurichten hat. Nach der Gesetzesbegründung dient der Zusatz "empfangsbereit" lediglich der Klarstellung, dass die BStBK berechtigt ist, es Dritten zu ermöglichen, Steuerberaterinnen und Steuerberatern auch gegen deren Willen Dokumente über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach zu übersenden (Gesetzesbegründung zu § 86d Abs. 1 StBerG, BT-Drs. 19/30516, S. 64). Eine Einschränkung des Anwendungszeitpunkts lässt sich hieraus daher nicht entnehmen (Pohl, Stbg 2022, 426).

Da dem Senat bereits in anderen Verfahren beSt Nachrichten zugegangen sind, besteht kein Anlass zu der Annahme, dass das beSt grundsätzlich nicht funktionsbereit wäre. Es mangelt lediglich an der Erstregistrierung des Bevollmächtigten der Klägerin.

(7) Auch aus § 14 StBPPV ergibt sich nichts Gegenteiliges. Nach der Verordnungsbegründung muss die BStBK sicherstellen, dass das beSt unverzüglich nach Eintragung des Postfachinhabers in das Berufsregister durch diesen genutzt werden könne (BR-Drs. 489/22 vom 4. Oktober 2022, S. 24). Diese Regelung betrifft jedoch ersichtlich nur Steuerberaterinnen und Steuerberater, die sich neu zulassen. Bei bereits zugelassenen Steuerberatern, wie vorliegend der Bevollmächtigte, ist die Eintragung in das Berufsregister in der Vergangenheit bereits erfolgt.

(8) Dieses Ergebnis wird auch von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bestätigt. Der BFH hat in einem im Rahmen eines obiter dictums bereits dahingehend geäußert, dass für Steuerberater "spätestens‟ ab 1. Januar 2023 eine aktive Nutzungspflicht nach § 52d Satz 2 FGO bestehen würde (BFH-Beschluss vom 27. April 2022, XI B 8/22, BFH/NV 2022, 1057).

(9) Nicht überzeugen kann hingegen die von der BStBK vertretenen Auffassung, dass die aktive Nutzungspflicht erst mit Erhalt des Registrierungsbriefs gilt (vgl. bspw. FAQ der BStBK, abrufbar unter: https://www.bstbk.de/downloads/bstbk/steuerrecht- und-rechnungslegung/fachinfos/BStBK_FAQ_StB-Plattform.pdf; Äußerung des Präsidenten der BStBK Prof. Dr. Schwab im BStBK Report Januar 2023, abrufbar unter: https://www.bstbk.de/downloads/bstbk/presse- und-kommunikation/publikationen/bstbk-report/BStBK_Pub_BStBK-Report_202301.pdf). Diese Einschätzung wird, soweit ersichtlich, an keiner Stelle begründet. Zudem stellt sich die Frage, weshalb der ggf. nicht oder nur schwer nachweisbare Erhalt des Registrierungsbriefs und nicht die Erstregistrierung beim beSt als dokumentierter Mitwirkungsakt der Postfachinhaberin oder des Postfachinhabers rechtsgestaltende Wirkung entfalten sollte (Pohl, Stbg, 2022, 426). Diese Ansicht wird, soweit ersichtlich, nur in einer Stelle in der Literatur geteilt (Mehnert/Kalina-Kerschbaum, DStR 2022, 2573). Eine Begründung für diese Auffassung, lässt sich dem Aufsatz ebenfalls nicht entnehmen. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass es aufgrund der großen Anzahl der Berufsträger technisch nicht möglich sei, jedem Berechtigten gleichzeitig ein beSt zur Verfügung zu stellen. Der Gesetzgeber hat jedoch die erforderliche technische Umsetzung bereits in § 157e StBerG berücksichtigt und eine entsprechende Schonfrist vorgesehen. Etwaige Organisationsmängel der BStBK vermögen es aber nicht, den gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt zu suspendieren.

3. Es handelt sich auch nicht um eine, zur Ersatzeinreichung in Papierform berechtigende, vorübergehende technische Störung i.S.d. § 52d Sätze 3 und 4 FGO.

a. Nach § 52d Satz 3 und 4 FGO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

b. Es liegt bereits keine "vorübergehende technische Störung" vor. Die Ersatzeinreichungsmöglichkeit ist dem Wortlaut der Vorschrift nach auf Fälle der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit beschränkt. Eine solche ist jedoch nicht gegeben, wenn ein zugelassener elektronischer Übermittlungsweg noch gar nicht eingerichtet wurde. Es handelt sich hierbei vielmehr um einen strukturellen Mangel, der den Rückgriff auf die Papierform jedoch nicht rechtfertigt. Die Vorschrift ist nur bei technischen Problemen bei Verwendung des vollständig eingerichteten beSt, nicht hingegen Verzögerung bei dessen Einrichtung anwendbar (OVG Münster, Beschluss vom 10. März 2022, 19 E 147/22, FA 2022, 153 [zu § 55d VwGO]; OLG Hamm, Beschluss vom 4. April 2022, I-8 U 23/22, NJW-RR 2022, 1360; AG Hamburg, Beschluss vom 21. Februar 2022, 67h IN 29/22, ZVI 2022, 106 [zu § 130d ZPO]; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Juni 2020, 1 Ta 51/20, NZA-RR 2020, 546 [zu § 46g ArbGG]); von Selle in BeckOK-ZPO, § 130d Rn. 4; Gädecke in Ory/Weth, jurisPK-ERV, Band 3, § 65d SGG Rn. 34; Müller in Ory/Weth, jurisPK-ERV Bd. 2, § 130a ZPO Rz. 28, Müller, NJW 2021, 3281; Pohl, Stbg 2022, 426).

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin kann sich somit nicht darauf berufen, dass er das beSt nicht habe nutzen können, da ihm der Registrierungsbrief noch nicht zugeschickt worden sei.

4. Der Bevollmächtigte kann sich auch nicht darauf berufen, dass es ihm (absolut) unmöglich war, das beSt zu nutzen. Nach seinem Vortrag lag ihm der Registrierungsbrief der BStBK noch nicht vor, da dieser noch nicht versendet worden sei. Der Versand sei erst in der Zeit vom 1. bis 10. Februar 2023 vorgesehen. Die BStBK weißt in ihren FAQ jedoch seit jeher jedoch darauf hin, dass Steuerberaterinnen und Steuerberater, die aktiv mit den Finanzgerichten kommunizieren, sich bei der BStBK für die "Fast-Lane" anmelden können und zeitlich vorgezogen werden. Die "Fast-Lane" bleibe während des gesamten Registrierungsprozesses offen (I. 8. FAQ der BStBK zum beSt, abrufbar unter: https://www.bstbk.de/downloads/bstbk/steuerrecht- und-rechnungslegung/fachinfos/BStBK_FAQ_StB-Plattform.pdf). Zudem hatte die BStBK in der Version der FAQ mit Stand vom 22. Dezember 2022 unter I. 1. ausgeführt, dass Fast-Lane Anmeldungen für Steuerberaterinnen und Steuerberater, die aktiv mit den Finanzgerichten kommunizieren würden, weiterhin möglich seien. Anmeldungen, die ab dem 3. Januar 2023 eingehen würden, würden am übernächsten Werktag in den Briefversand aufgenommen. Dieser Hinweis wurde in der Version der FAQ vom 23. Januar 2023 weiter präzisiert. Steuerberaterinnen und Steuerberatern "die vor den Finanzgerichten Klageverfahren führen und sich bisher noch nicht zur Fast Lane angemeldet haben, wird empfohlen, dies nachzuholen. Entgegen der Auffassung der BStBK geht sowohl der VI. Senat des BFH als auch einzelne Finanzgerichte von einer generell, seit dem 1. Januar 2023 bestehenden, aktiven Nutzungspflicht des beSt bzw. einer Verpflichtung zur Nutzung der Fast Lane aus".

Dem Bevollmächtigten war es somit möglich, durch aktives Handeln den Registrierungsbrief vorab anzufordern und die Erstanmeldung vorzunehmen. Hierauf wurde er durch die BStBK zumindest in den FAQ hingewiesen. Eine absolute Unmöglichkeit scheidet damit aus.

5. Der von dem Bevollmächtigten am letzten Tag der Ausschlussfrist per Fax übersandte Schriftsatz genügt den an bestimmende Schriftsätze zu stellenden Formvorschriften somit nicht, da er entgegen der gesetzlichen Verpflichtung nicht per beSt übermittelt wurde. Das unter dem 13. Januar 2023 übersandte Fax gilt daher als nicht eingereicht. Die Ausschlussfrist ist nicht gewahrt, die Klage somit unzulässig.

III. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann hinsichtlich der versäumten Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagegegenstands nicht gewährt werden.

a. Eine Wiedereinsetzung ist gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist verhindert war.

b. Der Bevollmächtigte war nicht unverschuldet an der Einhaltung der Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagegegenstands verhindert.

Wie der Bevollmächtigte selber vorträgt, wurde er vor Ablauf der Ausschlussfrist von der Vorsitzenden des Senats auf die verpflichtende Nutzung des beSt seit dem 1. Januar 2023 hingewiesen. Spätestens diesen Hinweis hätte er zum Anlass nehmen müssen, sich unverzüglich um eine Registrierung bei der "Fast-Lane" zu kümmern. Jedenfalls hätte er einen Fristverlängerungsantrag stellen müssen.

Unabhängig von dem Hinweis der Vorsitzenden des Senats wäre es auch seine Pflicht gewesen, sich über die gesetzlichen Regelungen zu informieren. Da dem Bevollmächtigten bekannt war, dass er in einem anhängigen Gerichtsverfahren Prozesserklärungen abzugeben hat, hätte er sich bereits bei Erhebung der Klage oder bei Öffnung der "Fast-Lane" dort registrieren müssen.

Alleine die verzögerte Übersendung des Registrierungsbriefs durch die BStBK vermag sein Verschulden jedenfalls nicht zu entschuldigen, da er mit der "Fast-Lane" die Möglichkeit hatte, ab dem 1. Januar 2023 die Erstanmeldung vorzunehmen. Auch die Äußerungen der BStBK vermögen sein Verschulden nicht zu entschuldigen, da durch die Rechtsprechung des BFH und der Literatur frühzeitig widersprochen wurde (BFH-Beschluss vom 27. April 2022, XI B 8/22, BFH/NV 2022, 1057; Pohl, Stbg 2022, 426).

IV. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Klägerin hat als unterliegende Beteiligte die Kosten zu tragen.